In 1949 heiratete Mühlenbesitzer Eduard Saakel von Bischhausen und die Feier war in Waldkappel bei Tierarzt Dr.Berge, denn dessen Frau war ja die Schwester von Edi Saakel. Unter den wenigen Gästen befand sich unser Vater und auch Herr Cornelius Helferich aus Kassel mit seiner Freundin Frau Müller, die Geschäftsleiterin von Woolworth in der Oberen Königsstraße. Im Rahmen einer Unterhaltung ist Vater mit Herrn Helferich übereingekommen, daß ich in seinem Betrieb (im Knusperhäuschen) als Praktikant anfangen durfte. Das war für mich ein harter Anfang. Aber Konditormeister Walter Bock, der als Meister bei Helferich im Betrieb arbeitete, war ein guter Mensch und durch seine Hilfe bin ich eine kurze Zeit später als Konditorlehrling eingestellt worden. Ich habe viel von Herrn Bock gelernt und war ihm immer sehr dankbar dafür.
In Kauf nehmen mußte ich leider die vielen Ratten, die im fast kriegszerstörten Kassel überall anzutreffen waren.
Ein Jahr später machte sich Herr Bock, der ein ausgezeichneter Konditormeister war, am Pferdemarkt selbständig und bat mich, mit ihm zu gehen, welches ich auch tat. Er hatte vor dem Krieg an dieser Stelle eine Konditorei, die im Oktober 1943 während des großen Bombenangriffs auf Kassel total zerstört wurde.
Bei diesem Bombenangriff verlor er auch seine Frau und zwei Kinder. Er bekam Sonderurlaub von der Front in Russland um seine Familienangehörigen zu beerdigen. Er selbst hat mir die ganze Geschichte erzählt und die Tränen kullerten ihm dabei nur so über die Backen. Ich habe insgesamt 1 ½ Jahre am Pferdemarkt gearbeitet und dann die Gesellenprüfung im Konditorenhandwerk abgelegt.
Während der Ausbildung bei Herrn Bock erlebte ich die tollsten Verhältnisse. Alles war improvisiert. Mein Bett stand auf dem Backofen und das Fenster hatte weder Rahmen noch Scheiben. Die unverkaufte Ware wurde abends in den Keller gebracht um sie frisch zu halten. Am nächsten Morgen hatten die Ratten in der Nacht die Hälfte gefressen. Es wurde einfach etwas weggeschnitten und was nicht angefressen war, kam wieder in den Laden. Heute kann ich es kaum glauben, daß es so etwas gab. Trotzdem habe ich mit am Tisch gegessen. Es gab viel Pferdefleisch und der Hunger hat geholfen, es runterzuwürgen. Ich war froh als ich fertig war mit der Lehre und ging dann wieder nach Waldkappel.
Damit war meine Berufsausbildung abgeschlossen und ich hatte erstmals Aussicht, durch meiner Hände Arbeit richtig Geld zu verdienen. Zuhause waren man froh, daß ich wieder da war, und ich langsam mit der Produktion von Konditorwaren anfing. Durch den allgemeinen Aufschwung nach der Währungsreform liefen die Geschäfte besser, und die Kunden konnten sich auch etwas teurere Backwaren leisten.
Ich genoss die neu gewonnene Freiheit in vollen Zügen. Kein Fest ließ ich aus. Ich tanzte für mein Leben gern mit den hübschen Mädchen und wußte neben dem Bier auch ein Glas guten Wein zu schätzen. Leider kommt diese schöne Zeit nicht wieder.
(Fortsetzung folgt in 1 Monat: Reise nach Zypern und Aufenthalt in Nikosia)