Viele der alteingessenen Bürger tragen Spitznamen oder Übernamen, deren Entstehung und Herkunft oft im Dunkeln liegen. Im Rahmen der Erforschung der Heimatgeschichte sollen einmal Nachforschungen nach Ursprung und Bedeutung der Spitznamen angestellt werden.
An erster Stelle stehen hier die alten Familiennamen, die sich über Genrationen hinweg gehalten haben. Meist beziehen sie sich auf einen längst verstorbenen Vorfahr, der entweder eine starke Persönlichkeit, beliebt oder sich durch Marotten auszeichnete. Änderte sich der Name durch Heirat, so war das für die Bevölkerung noch lange kein Anlaß, auch den bisherigen Namen zu ändern. Man klebt am Althergebrachten und ist besonders träge beim Umgewöhnen. Ist der alte Name auch noch wohlklingend und lassen Bilder vergangener Tage und Erinnerungen an Persönlichkeiten aufsteigen, halten sie sich besonders lange. Manch verheiratete Frau wurde stets nur mit ihrem Mädchennamen angesprochen und trug diesen bis über den Tod hinaus.
Die zweite große Gruppe waren die Spitznamen, die meist in Verbindung mit dem Vor- oder Familiennamen gebraucht werden und sich an der Eigenart ihrer Träger orientierten.
Nicht immer waren es wohlmeinende Zusätze. Auch Boshaftes war herauszuhören, was den Träger nicht immer erfreute und es geraten erscheinen ließ, in seiner Gegenwart die Bezeichnung nicht zu gebrauchen. Sogar als Schimpfwort wurde manch Spitzname gebraucht.
Die Spitznamen hatten und haben meist die Funktion, leicht verständliche Unterscheidungen zwischen den Trägern gleichen Namens zu schaffen. Wer konnte sonst schon auf Anhieb sagen, wer von den vielen Schellhasen, Möllers, Schmidts, Beckers und Sundheims gemeint sein könnte.
Jetzt muß ich konkret werden und Namen nennen, um die Bedeutung einleuchtend erklären zu können. Viele ältere Leser werden mit Schmunzeln sich einiger Träger dieser Spitznamen erinnern. Über den Tod hinaus blieb mancher Name erhalten:
Körperform | Dicker Henner (Sundheim), stracke Henner (Rechteb.), Dicker Wille (Schröder), Graf Karl (Müldner), Dicker Derop (Rehbein) |
Art der Bewegung | Schnellläufer (Rechteb.), Stoppelhopser (Hohmeister) |
Wesensart und Haarfarbe | Väterchen (Albrecht), Kaiser (Mengel Harmuths), Voss Wisser Wissköppchen (Schellhase) |
Beruf mit Vornamen | Zickelfritze (Haede), Pidschenwillme(Ruelberg), Selder Dreesd (Andreas Döring) |
Beruf mit Zunamen | Schustermöller (Langgasse) |
Beruf mit Tradition | Motzenbäcker (Hartung, Herstellung von Matzen für Juden in Harmuthsachsen) |
Prahlerei mit techn.Gerät | elektr.Theodor (Pfetzing), Bukarest (Wirt Möller des Goldenen Adlers in 1930) |
Klagerei | Armer Mann (Siebrecht) |
Spielerei mit dem Namen | Lutz statt Ludovici |
Spielerei mit dem Vornamen | Hannaden (Mähler) |
Theaterspiel um 1880 | Kurfürst (Kratzenberg), Landrat (Hartung), Moses (Böhm) Doktor (Strube) |
Ständige Redensart | Nämlichnicht (Wirt Becker in Hamruths.), Kegelregel (Riedelmax) |
Fehlverhalten | Statt Apotheke – Abortsecke gelesen (Werner) |
Viehhaltung | Zeegenpudz (Förster Philipp) |
Hausform | Koosden (Vollmann) |
Ortsbezeichnungen | Ruhrloch (Vollmann) |
Unbekannte Herkunft | Ibbi (Bischh.), Schwernixel (Sundheim ), Brawi (Bischh.), Voß Modz, Näs’chen (Knierim) |
Politische Einstellung | Rotschwänzchen |
Namensverstümmelung | Etz (Willi Röß) , Sibbs (Siebald) |
Schwärmerei von Soldatenzeit | Straßburg (Heidenreich) |
Lautes Geschrei | Baalooger (Möller) |